1. Säule – Arzneimittelprüfung (das Arzneimittelbild)
Hahnemann versuchte und prüfte an sich, seinen Angehörigen und später auch an seinen Schülern zahlreiche in der damaligen Medizin verwendeten Wirkstoffe und hielt dabei auftretende Symptome in allen Einzelheiten fest. Die Gesamtheit all dieser Symptome ergibt das für die Homöopathie so wichtige Arzneimittelbild.
Beispiel:
Nasenlaufen, Augentränen beim Zwiebelschneiden gleicht dem Symptombild eines Schnupfens. Der Homöopath gibt Allium cepa, also eine homöopathische Potenz der Zwiebeln bei den ersten Anzeichen eines Schnupfens.
Oder z.B. Aconitum (Eisenhut): Das Arzneimittelbild ergibt: Plötzlich allgemeines Krankheitsgefühl, Unruhe, Angst bis zum Erbrechen, Fieberschübe, trockene Hitze, hochrote Haut, Schüttelfrost, harter klopfender Puls. Die Homöopathie wendet Aconitum vor allem im Initialstadium eines Fieberzustandes (grippaler Infekt) an, der sich etwa mit den eben skizzierten anlaufenden Vergiftungserscheinungen deckt. Der Aconitum Fieberpatient ist rot, heiß, unruhig. Seine Haut ist trocken, die Schmerzen sind heftig, brennend und plötzlich einsetzend. Es kommt zur Rötung des Rachens, trockenem Mund und starkem Durst. Nach längstens 2 Stunden muss sich eine Besserung zeigen, sonst ist dieses Mittel nicht angezeigt.
Belladonna: Dieses 2. wichtige Fiebermittel ist bei jenem Patienten indiziert, der auf kaltem Wind oder auf Zugluft Fieber bekommt und stark schwitzt. Der Patient ist rot, heiß, beginnt zu schwitzen. Die Schleimhäute sind trocken, gerötet, leicht angeschwollen. Die Schmerzen sind plötzlich klopfend, pulsierend.
2. Säule – Ähnlichkeitsprinzip
“Wähle um sanft, schnell, gewiss und dauerhaft zu heilen, in jedem Krankheitsfalle eine Arznei, welche ein ähnliches Leiden (homoion pathos) für sich erregen kann, als sie heilen soll ” (Organon, Einleitung).
Similia similibus curentur als Aufforderung: Ähnliches möge durch Ähnliches behandelt werden.
Diese Ähnlichkeitsregel basiert auf dem bildhaften Vergleich zweier Sachverhalte: Symptome des Kranken werden mit Symptomen der Arzneiwirkung am Gesunden in ihrer phänomenologischen Ähnlichkeit verglichen. Also es geht darum, dass eine Krankheit mit einem solchen Arzneimittel behandelt wird, das am gesunden Menschen ähnliche Erscheinungen, d.h. ähnliche Symptome, ein ähnliches Leiden also, hervorruft wie diese. Das homöopathische Mittel ahmt quasi die echte Krankheit nach, und wegen seiner Ähnlichkeit mit der krankmachenden Störung bekommt es Zugang zu den blockierten oder geschwächten Ordnungskräften, den Abwehrmechanismen des erkrankten Organismus.
Die Homöopathie ist also eine Regulationstherapie mit kleinsten Dosen individuell gewählter Arzneimittel. Nicht die starke Dosis ist hier wirksam, sondern die kleinste Menge eine Wirkstoffes, die die stärkste Reaktion beim Einzelnen hervorruft. Wird das richtige Simile, also das der Symptomatik entsprechende Arzneimittel gefunden, kann es anfangs zu einer leichten Erstverschlimmerung der Symptomatik kommen. Diese Erstverschlimmerung ist allerdings keine Nebenwirkung, sondern ein Beweis, dass das richtige Simile gefunden wurde, nur die Reaktion darauf ist zu stark. Die Gaben der homöopathischen Arznei müssen nun bis dahin verkleinert werden, dass sie nach der Einnahme keine merkliche Verschlimmerung mehr ergeben (Hahnemann). Eventuell ist hier die Potenz zu erhöhen.
3. Säule – das individuelle Krankheitsbild
Die praktische Anwendbarkeit dieser Ähnlichkeitsregel verlangt nun aus logischen Gründen die individuelle Symptomatik des Kranken, keinen kollektiven Krankheitsbegriff: Es kann nur das verglichen werden, was mit der Arzneiprüfung in Beziehung gesetzt werden kann.
So werden im “Organon der Heilkunst” die anamnestischen Methoden sehr ausführlich beschrieben, um das individuelle Krankheitsbild zu erfassen und welche Symptome des einzelnen Kranken die Arzneiwahl bestimmen.
Die homöopathische Therapie ist somit auf genaue Individualisierung jedes einzelnen Krankheitsfalles angewiesen. Individualisierung heißt: alle Symptome und Zeichen des Kranken nach den Bedingungen ihres Auftretens erforschen!
Der Homöopathie muss, um das richtige Arzneimittel zu finden, sorgfältig die genaue
- Äthiologie (das auslösende Moment)
- Lokalisation der Symptomatik
- Sensation (das Erfahren der Symptomatik) und die
- Modalität hinterfragen.
Modalitätengeben Auskunft
- wodurch und wann Symptome und Zeichen besser oder schlechter werden,
- wodurch und wann Symptome und Zeichen auftreten und sich ändern.
Ohne Erfassung der Modalitäten ist es schwer möglich, aus einer Gruppe von Arzneimitteln diehomöopathisch passende Arznei herauszufinden, denn die Modalität gehört zum vollständigen Symptom.
Zu den Modalitäten gehören:
Zeit
Das Bild der Beschwerden ändert sich oft in der Zeit, unscheinbare Befindungsänderungen können sich zu einem massiven Befund entwickeln. Viele Arzneibilder zeigen oft typische Verschlimmerungszeiten oder Wechselzustände im Tag-Nacht- Rhythmus.
Die häufigsten Zeit-Modalitäten:
- Stunde , Tageszeit, Jahreszeit (Frühjahr, Winter),
- Lebensabschnitt (Säugling, Kind, Erwachsener, Greis),
- Dauer, Ende, Beginn (plötzlich, langsam),
- Periodizität (regelmäßige Wiederkehr – 1, 2, 7, 14 Tage, …),
- Sonnenzeit (mit Sonnenaufgang, in der Dämmerung, Mitternacht),
- Mondzeit (Vollmond, Neumond, …)
Diese zeitlichen Hinweise müssen natürlich noch durch andere Modalitäten eines bestimmten Arzneimittels abgerundet und bestätigt werden:
Physikalische Einflüsse
Besonders bei chronisch Kranken müssen die physikalischen Modalitäten wie z.B.: die Wetter- und Temperaturabhängigkeit gut erforscht werden, da bei ihnen die individuelle Symptomatik nur wenig ausgeprägt ist.
- Wärme: Außentemperatur, Zimmertemperatur, Sonnenstrahlung, Bettwärme, Verlangen oder Abneigung, sich warm zu kleiden, trockene oder feuchte Wärme
- Kälte: im Freien, im Raum, geringe oder warme Kleidung, Zugluft, trockene oder feuchte Kälte
- Wetter: vor oder bei Wetterwechsel, Wechsel von warm zu kalt oder umgekehrt, Regen, Schnee, Wind, Föhn, Nebel
- Ort: Meer, Gebirge, Flachland
- Flüsse, Seen, Auen
- Im Raum, im Freien, enge Straßen
Physiologische Einflüsse
- Mancher Rheumatiker fühlt sich besser bei absoluter Ruhe (Bryonia), der andere muss sich bewegen (Rhus toxicodendron), schnell oder langsam gehen, körperliche Anstrengung…
- Lage des Körpers bei Tag, in der Nacht (aufrecht, gebeugt; liegend, sitzend, stehend). Lage im Bett (rechts, links, auf dem Rücken, Kopf hoch, tief, Bauchlage, Schaukeln, Wippen, Rollen, …)
- Ruhe, Bewegung, , fahren (Zug, Auto, Schiff, …), , …
- Funktion der Sinnesorgane: Licht, Wärme, Musik, Gerüche, Geschmack, …
- Funktion der Verdauungsorgane: Essen, Trinken, Hunger oder Durst, viel, wenig, heiß, kalt, fett, mager, süß, sauer, …
- Absonderungen der Haut: Sekretionen, normal oder pathologisch (Tränen, Schleim aus der Nase, Mund, Bronchien, Sexualorgane), Blutungen (normal oder pathologisch).
- Schlaf: Zeit, Dauer, Tiefe.
- Beim Erwachen, beim Einschlafen
Psychische Faktoren
Das Denken an Krankheit, Angst, Furcht, Trauer, Ärger und Zorn prägen oft eine Reihe von Beschwerden.
All diese möglichen Modalitäten müssen unbedingt auf dem Weg zur Arzneifindung berücksichtigt werden. Ist letztendlich das richtige Simile, also das Ähnliche, dem Symptombild entsprechende Arzneimittel gefunden worden, ist die Arzneiform zu wählen.